Act with words. Über die Installation I Can. I Can't. Who Cares?!

von Steffi Parlow

Ausgehend vom Essay I Can, I Can’t, Who Cares? des Kunstkritikers Jan Verwoert, dass im Open Magazine 2009, No. 17, A Precarious Existence (1) erschienen ist, untersuche ich die Darstellung, aber auch das Potenzial dieses Titels. Verwoert befragt kritisch die Rolle und prekären Bedingungen eines permanenten Performens in unserer westlichen Gesellschaft, ausgehend von der These, das in dieser Gesellschaft nicht länger im klassischen Sinne gearbeitet, sondern vielmehr performt wird: „we no longer just work, we perform.“(2) Dieses perform schließt ein verlangtes Vorführen, Leisten und Funktionieren mit ein. Diese work performance, die zumeist auf immaterieller Arbeit basiert, zielt aber auch auf ein Entwickeln von kreativen Konzepten und Idee ab, die ebenso Kommunikation wie auch soziale Bindungen einschließen. Ist in diesem Zusammenhang die Hervorbringung eines I Can’t möglich? Wenn ja, wie könnte diese Widerständigkeit aussehen? Wie wesentlich ist die Verbindung zwischen einer Ermächtigung und Verpflichtung?

Die Aussage I Can. I Can’t. Who Cares?! eigene ich mir innerhalb der Arbeit als aktiven Sprechakt an und versuche diesen auch als solchen zu begreifen. Er fragt nach einer Politik der gezielten Unbestimmtheit, nach einer Situation, die sich in einer Uneindeutigkeit zwischen dem Möglichen und Unmöglichen bewegt, die ambivalent ist und bleibt. Die Sinn und Unsinn produziert und diese offenlegt. Die keine Eindeutigkeit postulieren will und das Sowohl und Als Auch aufzeigt. Die zugleich Möglichkeit und Aufhebung ist, Behauptung und Infragestellung.

Die Installation, die im kleinen Steinsaal der Bildhauerateliers der Akademie der bildenden Künste in Wien präsentiert wird, umfasst fünfzig konstruierte Buchstabenobjekte, eine Bühne und eine Soundinstallation. Im Mittelpunkt der Arbeit steht nicht nur das Statement I Can. I Can’t. Who Cares?! als Objekt- und Soundmaterial, sondern auch die Deklination, Form- und Sinnveränderung dieser Phrase. Die Aneignung dieses Satzes erfolgt durch Variationen, durch den Einsatz von Personalpronomen und Zerteilung. Die Sprechsituation, die von einer weiblichen Stimme konstituiert wird, basiert zunächst auf einer Fragmentierung der Sprache, auf Wiederholung und Stottern. Ein Potenzial von sinnproduzierenden Momenten, die während ihrer Hervorbringung bereits wieder aufgehoben werden. Bis die Stimme dann auf ein Über-sich-selbst-Sprechen und Ansprechen verweist, als auch über das Sprechen und Ansprechen anderer Personen. Wer spricht? Wer darf sprechen? Wer wird angesprochen?

Die einzelnen Buchstabenobjekte bilden Positionen und Gruppen auf und außerhalb der Bühne, einem Ort der möglichen Aufführung. Innerhalb dieser Konstellation behandle ich sie aber auch als bildhauerische Objekte, die mit der Qualität ihrer modelhaften, fragilen und brüchigen Materialität und ihren divergierenden Formen sprechen und sich behaupten. Als Sprachobjekte verbleiben sie aber trotz alledem in ihrer Möglichkeit Bedeutung bilden zu können und Behauptungen zu repräsentieren, die jedoch im nächsten Moment wieder aufgehoben und verändert werden können. Somit bewegen sie sich genau in dem Zwischenraum, indem auch Sprache zu verorten ist – eine Gleichzeitigkeit von Konstruktion und Dekonstruktion. Hier zirkulieren sie permanent zwischen einer Unordnung und einer vermeintlichen Sinnhaftigkeit in ihrer Aufstellung, die die Fähigkeit hat differente Bedeutungsmuster zu formen und variable Permutationen einzunehmen. Die 50 Buchstaben werden zu Protagonist_innen und Akteur_innen innerhalb dieser Szenerie.

Da ein mögliches Bewegen, Zusammensetzen und Verbindungen-Schaffen der Buchstabenobjekte hier eher imaginiert wird, übernimmt diese Aufgabe, die erklingende weibliche Stimme. Sie produziert Gleichzeitigkeit, sprachliche Bewegung, Variationen, Rhythmus und Körper. Sie stellt eine Bewegung innerhalb von Zeit und Raum dar und erzeugt ein Gefüge, das im selben Moment wieder hinterfragt wird. Ebenso kann Sprache nicht losgelöst von Raum und Zeit gedacht werden. Dieser Bezug wird besonders dann deutlich, wenn die sprechende Stimme sich im Ausstellungsraum ausbreitet. Die Rolle des Echos, als verzögerte Wiederholung des Gesagten, tritt hier besonders in den Vordergrund.

Was bleibt ist ein vom Körper nicht loszulösendes Element, die Sprache, in unterschiedlichen Ausformungen, die trotz Fragmentierung und Uneindeutigkeit, einem sinnsuchenden Moment verhaftet bleibt.

 

(1) Dieser Text wurde als Concept Paper für Art Sheffield 08: Yes, No & Other Options (16. Februar – 30. März 2008) geschrieben und erschien online unter: http://www.artsheffield.org/as08/context.html (28. Sep. 2015), wiederveröffentlicht in: open magazine, No.17, 2009, S. 40–45.
Im Kontext meiner Arbeit für das Buch Die Praxis mündlicher Bedingungen. Eine Untersuchung zu den Produktions- und Arbeitsbedingungen von Tino Sehgal bin ich bereits auf das Essay aufmerksam geworden und beziehe mich im Kapitel „Zwischen Immaterieller Arbeit, Prekariat und Performance“ (S. 63) darauf.
(2) http://www.artsheffield.org/2008/context.html (28. Sep. 2015)